Den heutigen Teil der Reihe zum Thema Crowdfunding möchte ich mit guten Erfahrungen füllen, die ich gemacht habe. Dazu sollen die Vorteile der Schwarm(vor)finanzierung beleuchtet werden.
A dream comes true
Vielleicht ist die Idee hinter Kickstarter und Co., dass aus einer guten Idee und viel Engagement ein Produkt wird, das auf anderem Wege nicht in die Läden zu kriegen wäre. Heutzutage sind viele Brettspiele bei Kickstarter Hochglanzprodukte, die im Grunde komplett fertig sind, für die es nur noch das Geld braucht, in die Massenproduktion zu gehen. Im Vorfeld haben viele Firmen schon fünfstellige Summen in Prototypen und Design gepackt. Dennoch gibt es auch die tollen Ein-Mann-Projekte, die aus einem selbsterdachten Spiel ein Produkt machen wollen.
Mein Lieblingsbeispiel ist „Robin Hood: Hero of the people„. Hier hat ein australischer Spielefreund seine Idee von einem Solo-Kartenspiel um die Robin-Hood-Legende mit viel Liebe über sein bescheidenes Ziel gebracht und konnte so sein optisch eher mittelprächtiges Spiel umsetzen. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, auch das Spiel selber ist nicht schlecht, wenn auch sicherlich kein Knaller.
Was mir daran gefällt ist, dass man in diesem Projekt Rodneys Freude und Liebe zum Spiel spürt. So gab es auf einer Karte einen Fehler beim Zeilenumbruch – ärgerlich, aber glücklicherweise nicht spielstörend. Rodney hat das keine Ruhe gelassen. Er hat die Karte für alle Unterstützer neu drucken lassen, obwohl es durchaus die Rückmeldung gab, dass er das nicht tun müsse. Man spürt als Unterstützer bei Leuten wie Rodney, dass hier Träume wahr werden. Das macht Spaß und ist auch meiner Meinung nach einer der Grundgedanken von Schwarmfinanzierung.
Die Nischen
Jetzt mag der geneigte Leser sagen, dass Robin Hood ja ein nimmeraltes Thema ist, das in allen Medien immer gut geht. Das kann ich nur unterschreiben, deshalb möchte ich einen weiteren Vorteil von Crowdfunding aufzeigen – die Umsetzung von Nischenprodukten.
Wer mal bei Kickstarter nach Brettspielen sucht, wird eins ganz schnell feststellen – die Mehrheit der Spieler richtet sich nicht an den Gelegenheitsspieler, sondern an Viel- und Kennerspieler. Gleichzeitig stellt man fest, dass im klassischen stationären Handel außerhalb von reinen Brettspielläden genau diese Spiele im Grunde nicht zu finden sind. Dort überwiegen Klassiker sowie Familienspiele. Kickstarter hat wesentlich dazu beigetragen, dass Vielspieler Nachschub bekommen. Die angesprochene Kundengruppe ist nicht sehr groß, so dass Firmen sich scheuen, komplexe Spiele, die meist auch noch viel Material erfordern und damit teuer sind, ins Programm zu nehmen.
Auch thematisch werden Nischen bedient, die über ein reines Verlagssystem wahrscheinlich nie umgesetzt würden. Dabei hole ich gerne Steamopolis als Beispiel hervor. Steampunk ist ja in allen Medien ein totes Thema, Firmen aller Art meiden dieses Genre wie der Teufel das Weihwasser. Es gibt kaum halbwegs bekannte Franchises in diesem Genre, so dass das Risiko sehr hoch ist, mit Produkten im Steampunk Geld zu verdienen. Deshalb hat Corax Games zu Recht die Spieleschmiede bemüht, Steamopolis von Gerhard Hecht umzusetzen, zumal es gleichzeitig noch Kennerspieler anspricht.
Ein anderes schönes Nischenprodukt ist „Luchador! Mexican Wrestling Dice„. Ohne Kickstarter (und die Spieleschmiede für die deutsche Anleitung) wäre ein solches Spiel kaum realisierbar gewesen, schließlich ist Wrestling besonders in Europa ein klassisches Nebenthema, mit dem nur wenig Geld zu verdienen ist.
Auch Solo-Spiele würden ohne Schwarmfinanzierung nur schwer realisierbar sein. Klar, eigentlich soll es ja meistens um Gesellschaftsspiele gehen. Inzwischen gibt es aber durchaus eine große Menge an Spielern, die gerne allein spielen. Dieser Form der Unterhaltung tragen viele Hersteller Rechnung, indem sie ihrem Mehrspielerspiel einen Solomodus spendieren (auch Steamopolis hat eine Solokampagne). Aber reine Ein-Spieler-Spiele sind weiterhin selten und werden fast ausschließlich via Kickstarter an den Mann gebracht. Exemplarisch möchte ich das ganz tolle Ein-Spieler-Workerplacement-Spiel „Maquis“ hervorheben, das thematisch dicht und spielerisch sehr anspruchsvoll ist.
Fazit
Dank Schwarmfinanzierung gibt es inzwischen eine große Breite an anspruchsvollen Spielen, die sich auch thematisch in Nischen begeben, die ohne die Vorfinanzierung der Spieler kaum betreten würden. Auch Einzelspieler werden bedient, die ansonsten eher eine kleine Zielgruppe sind. Zudem gibt es immer wieder schöne Beispiele von Spieleentwicklern, die ihr Herzensprojekt auf diesem Wege ins Leben rufen können, was sonst aus verschiedensten Gründen nur schwer möglich wäre.
Man könnte noch weitere Vorteile anführen. Häufig erhalten die Unterstützer besondere Inhalte, die in der Verkaufsversion fehlen (seien es zusätzliche Spielinhalte oder kosmetische Verbesserungen), und viele Spiele sind im Crowdfunding etwas günstiger als später im Handel. Dazu eignen sich manche Spiele auch als Wertanlage, da sie Crowdfunding-exklusiv sind und (zumindest bei guten Spielen) sich so ein Markt eröffnet, auf dem wenig Wertverlust und nicht selten eine Wertsteigerung entsteht. Aber für letzteres macht man ja eigentlich nicht mit..
Aber es gibt auch Schattenseiten des Crowdfunding. Mit denen wird sich der nächste Artikel beschäftigen..